Von einer „Sensation“ sprach die LVZ und die BILD schrieb gleich von „Wahl-Wahnsinn in Leipzig“, nachdem sich CDU-Kandidat Gemkow im ersten Wahlgang der Leipziger OBM-Wahl einen Vorsprung von „wahnsinnigen“ 1.8 %-Punkten vor Amtsinhaber Burkhard Jung sichern konnte. Die anderen Parteien des eher linken Lagers (DIE LINKE, Grüne, Die PARTEI) kamen zusammen auf knapp 27.9 %, AfD und FDP zusammen auf 9.8 %. Nimmt man diese Ergebnisse der Kandidat*innen der im Stadtrat vertretenen Parteien Mitte-Links und links der Mitte zusammen, kommen diese auf 57.7 % – die des weit gefassten rechten Lagers auf 41.4 %. Was – nur diese Parteien betrachtet – dem Ergebnis der Stadtratswahl vom Mai 2019 sehr nahe kommt, dort stand es 58.2 % zu 37.3 %. Mit der „Wählervereinigung Leipzig“, die bei der OBM-Wahl Gemkow unterstützte und bei der Stadtratswahl 2.5 % erzielte, 58.2 % zu 39.8 %. Andererseits ist der Zuspruch für Jung doch erheblich gesunken – mutmaßlich auch bei Wählerinnen und Wählern, die eher konservative oder wirtschaftsliberale Positionen vertreten. Bei der OBM-Wahl 2013 erhielt Jung im ersten Wahlgang noch 40.2 % der gültigen Stimmen. Inklusive der anderen Kandidat*innen aus dem Feld der Mitte-Links-Parteien waren es 72.2 % für die Kandidat*innen, die weder Wawrzynski (CDU) noch Hobusch (FDP) hießen.
Gleichwohl ist eine OBM-Wahl aus vielerlei Gründen nicht das gleiche wie eine Stadtrats-, Landtags- oder Sonstwas-Wahl. Auch wenn die Wahl der Stadträtinnen und Stadträte eine Personenwahl ist, so spielen bei der OBM-Wahl Personen doch eine größere Rolle. Gleichzeitig ist die Wahlbeteiligung im vergleich zu den anderen Wahlen – insbesondere natürlich Landtags- und Bundestagswahlen, eher niedrig.
Die Wahlbeteiligung – gestiegen, aber stark gespreizt
Die Wahlbeteiligung ist vom Vergleichspunkt OBM-Wahl 2013 von 40.7 % auf 49.1 % gestiegen. Allerdings liegt sie damit noch erheblich niedriger als die Wahlbeteiligung zur Stadtrats- (59.7 %) und Landtagswahl (65.1 %) im Jahr 2019. Andererseits klafft die Wahlbeteiligung alleine in den einzelnen Ortsteilen weit auseinander und reicht von fast 70 % (Althen-Kleinpösna, 69.1 %) hinunter bis zu kaum mehr als 31 % (Grünau-Nord, 31.6 %).
Im Vergleich zur Stadtratswahl gesunken – aber nicht überall gleich
Interessant ist jedoch nicht nur, in welchem Maße sich die Wahlbeteiligung von Ortsteil zu Ortsteil unterscheidet, sondern auch, wie sich diese entwickelt halt. Als Referenzpunkt soll dafür an dieser Stelle jedoch nicht die sieben Jahre zurückliegende OBM-Wahl von 2013 dienen, sondern zunächst die Stadtratswahl vom Mai 2019.
Auf der Karte ist deutlich zu erkennen, dass die Differenz in den zentrumsnahen Ortsteilen tendenziell höher ist, als in den peripheren Ortsteilen. Allerdings ist die Darstellung der Veränderung der Wahlbeteiligung als Differenz suboptimal, da sie das unterschiedliche Ausgangsniveau in den Ortsteilen nicht berücksichtigt. Wenn beispielsweise in einem Ortsteil die Wahlbeteiligung von 30 % bei der Stadtratswahl auf 15 % bei der OBM-Wahl gesunken wäre, so entspräche dies einer Differenz von – 15 %-Punkten. Woanders ist sie möglicherweise von 40 % auf 20 % gesunken – was einer Differenz von 20 %-Punkten entspräche. In beiden Fällen hätte sie sich jedoch halbiert. Aus diesem Grunde ist es die Darstellung wert zu zeigen, in wie weit die Wahlbeteiligung der OBM-Wahl anderen, jüngeren Wahlbeteiligungen entspricht. Dazu wurde an dieser Stelle untersucht, in wie weit die Wahlbeteiligung der OBM-Wahl 2020 an diejenige der Stadtrats- und Landtagswahl 2019 heranreicht. Wenn also beispielsweise die Wahlbeteiligung in Ortsteil X bei der OBM-Wahl 40 % betrug, bei der Stadtratswahl 60 % und bei der Landtagswahl 80 %, so hat die Beteiligung der OBM-Wahl das Niveau der Landtagswahl zu 50 % erreicht und das der Stadtratswahl zu 75 %. Aus beiden Werten wurde anschließend der einfache Mittelwert gebildet und ist auf folgender Karte dargestellt:
Auch in dieser Darstellung ist noch recht deutlich zu erkennen, dass das Niveau der Wahlbeteiligung zur OBM-Wahl 2020 in den zentrumsnahen Ortsteilen tendenziell weiter von den Wahlbeteiligungen der 2019er-Wahlen entfernt ist, als in den Ortsteilen am Stadtrand. Inbesondere im Leipziger Osten ist dies gut zu erkennen. Wenn man diesen Zusammenhang nicht in Ortsteilen ausdrücken will sondern politisch, so lässt sich festhalten, dass die relative Mobilisierung von Wählerinnen und Wählern (relativ zur Mobilisierung bei Wahlen der jüngsten Vergangenheit) in denjenigen Gebieten, in denen CDU-Kandidat Gemkow gut abgeschnitten hat, tendenziell höher lag – oder anders gesprochen: Bei der Wähler*innen-Mobilisierung links der Mitte scheint es doch deutlich Luft nach oben zu geben. Für den zweiten Wahlgang dürfte das nicht ganz uninteressant sein.
(04.02.2020, 10:47 Uhr) Korrekturhinweis: Ursprünglich hieß es „Die Wahlbeteiligung ist vom Vergleichspunkt OBM-Wahl 2013 von 40.7 % auf 40.1 % gestiegen.“ Das ist natürlich Quatsch, denn sie ist auf 49.1 % gestiegen. Danke an Jonas für den Hinweis via Twitter.
Eine Antwort auf „OBM-Wahl in Leipzig: Schwäche bei der Mobilisierung links?“
[…] nach dem ersten Wahlgang wurde hier versucht, die Wahlbeteiligung einzuordnen. Sie wurde dazu ins Verhältnis zur Wahlbeteiligung bei der […]